Keine Frage, dass dem erfahrenen WingTsun-Schüler und erst recht dem Lehrer sehr viele Aspekte einfallen, wie sich das WingTsun positiv auf die körperliche, kognitive und mentale Gesundheit auswirkt. Dieser Beitrag soll jedoch besonders die positive Auswirkung auf den Bewegungsapparat hervorheben. Denn inzwischen gibt es unzählige Untersuchungen und Berichte, die belegen dass die Erkrankungen des Bewegungsapparates in den letzten Jahrzehnten nicht nur rasant angestiegen sind, sondern immer weiter zunehmen und die Betroffenen dabei auch noch immer jünger werden. Dass dieses Phänomen von der „Bewegungslosigkeit“ der Bevölkerung herrührt, sprich von den immer wieder gleichen Bewegungsmustern denen der Körper folgt und den völlig ungenutzten Bewegungsmöglichkeiten, ist ebenfalls bekannt.
„Bewegung ist Leben.“
Moshé Feldenkrais
Auch wenn das für den einen oder anderen inzwischen eher nach einem Slogan klingen mag, so ist es jedoch die simple Wahrheit, denn Bewegung ist genau das was der Bewegungsapparat für den Erhalt seiner Gesundheit braucht. Z.B. benötigt Knorpel, der für die Gesundheit der Gelenke und der Wirbelsäule verantwortlich ist, Nährstoffe aus der ihn umgebenden Flüssigkeit. Diese kann er nur dann ausreichend aufnehmen, wenn das Gelenk vollumfänglich (also in allen seinen Bewegungsmöglichkeiten) genutzt wird. Ebenso benötigt der Körper eine geschmeidige Muskulatur, um sowohl die Beweglichkeit als auch das muskuläre Gleichgewicht zu erhalten und dadurch z.B. den Nackenverspannungen oder Rückenschmerzen vorzubeugen, die leider so vielen bekannt sein dürften.
Jedem von uns wird es am Anfang unserer WingTsun-Laufbahn schon mal so ergangen sein: Wir haben Bewegungen gelernt, von denen wir nie dachten, dass der Körper sie überhaupt umsetzen kann, geschweige denn haben wir uns überhaupt je Gedanken gemacht, dass es diese Bewegungen so gibt. Und genau das ist der Grund, weshalb sich das WingTsun positiv auf die Gesundheit unseres Bewegungsapparates auswirkt.
Denken wir nur mal an den Bong-Sao der unser Schultergelenk nach innen schließt und den Tan-Sao der es wieder nach außen öffnet – allein das hilft schon dem Knorpel im Schultergelenk mehr Nährstoffe aufzunehmen und dadurch den Schultergelenken gesund zu bleiben. Denn bereits diese Bewegungsrichtungen sind weitaus mehr als unsere Schultern im Alltag jemals vollbringen, da wir unsere Arme üblicherweise den ganz Tag vor uns haben und sie in den Schultern überwiegend in einem schmalen Radius nur hoch und runter bewegen. Betrachten wir als nächstes z.B. die BiuDjie-Form – die unterschiedlichen Rotationen des Rumpfes und in den Schultern reizen endlich die Bewegungsmöglichkeiten aus, die im Alltag niemals wahrgenommen werden. Und betrachten wir schließlich das funktionelle Bewegen im WingTsun, welches sich besonders in den letzten Jahren etabliert hat, so trägt allein schon das Projizieren mit der Hüfte zur Gesundheit unseres Rückens bei, da dadurch der oftmals verkürzte Hüftbeuger wieder gedehnt wird.
Insbesondere durch die Einflüsse der letzten Jahre glaube ich, dass das WingTsun noch nie so „körperlich“ und damit so „gesund“ war wie heute. Stellt man sich bildhaft einen alten mystischen Kampfkünstler vor, so verknüpft man mit ihm doch automatisch die Idee einer faszinierenden Gesundheit trotz des hohen Alters. Und betrachtet man unser heutiges WingTsun, welches nun den Rumpf, die Muskulatur und die Gelenke ganz bewusst und sehr umfangreich einbezieht, so glaube ich, dass wir der Möglichkeit dieser faszinierenden Gesundheit eines Kampfkünstlers noch nie näher waren.
Regina Korabtsova