Wer kennt es nicht? Man stöbert auf einschlägig bekannten Plattformen und genießt eventuell Auszüge aus Großmeister Kernspechts Training mit den Meistern, oder bekommt einen kleinen Tipp von seinem Sifu und… kann es nicht umsetzen.

Wir leben in einer Zeit, die häufig eine andere Erwartungshaltung an sich und die Welt generiert hat.
Doch unsere Biologie bleibt die gleiche! Um es kurz zu fassen: Wenn kleine Kinder mit der gleichen Haltung an den Tag kämen, wie viele von uns Erwachsenen, würden viele von ihnen nie das Laufen lernen.

Grund dafür, sind motorische Lernprinzipien. Im Folgenden eine kleine Liste, mit wichtigen motorischen Lernprinzipien:
1. Repetition-> Wiederholung.
2. Shaping-> Arbeiten am Belastungslimit
3. Versuch und Irrtum
4. Alltagsbezug
5. So selbständig wie möglich

Doch warum ist Repetition so wichtig? Nehmen wir das Training, werden häufig erst einmal grundlegende Elemente wie Stand, Bewegungen und Körpergrenzen einstudiert. Es folgen ebenfalls grundlegende Techniken. Später verzweifelt man vielleicht, weil mit diversen Trainingspartnern, bzw. unseren Meistern, trotz klar abgestecktem Bewegungsrahmen, eine Bewegung nicht gelingen mag und vielleicht ein Schlag immer im Ziel landet. Scheinbar mühelos. Und das, obwohl man doch 90, 180, oder gar 270 Minuten trainiert. Doch die Woche hat 10080 Minuten. ( die bestenfalls 3360 Minuten Schlaf davon sind im Übrigen ebenfalls nachgewiesen wichtig für das motorische Lernen)

Nehmen wir unsere Lernschleifen her und betrachten mal, wie unser Körper lernt:
Ab 20 Wiederholungen depolarisieren Synapsen.
Ab 500 Wiederholungen wird gelerntes bewusst wahrgenommen und abgerufen .
Basalkerne, Cortex und Thalamus sorgen für diesen Schritt-> man könnte hier langsam an den Punkt kommen, zu wissen, dass man nichts weiß.
Ab 2000 Wiederholungen beginnt die Automatisierung einer Bewegung.
Kleinhirn, Hirnstamm, Hirnstamm und Rückenmark werden mit einbezogen.
Bei bis zu 10000 Wiederholungen kann man auf automatisierte und anpassungsfähige Bewegungssequenzen hoffen. ( Sprung von Bewusstem Können, zu unbewusstem Können)
Dabei ist das Lernen nicht linear, sondern ein Mosaikteilchen, umgeben von vielen anderen.

2520 Wiederholungen, ohne zu viele Pausen, bis man von automatisierten Bewegungen sprechen kann. Für eine bestimmte Bewegungssequenz. Dabei ist diese noch nicht an alle veränderten Einflüssen (Anpassung des Gegners, Winkelveränderungen, Stress) adaptierbar.

In Versuchen brauchten Probanden 20 Stunden Übungszeit, für 4 Griffe an der Gitarre.
Ein Leistungsplateau mit submaximalen Kraftstößen bei Sprüngen wurde erst ab 2500 Ausführungen erreicht. Deren „vollständige und langfristig behaltensstabile Automatisierung ist erst nach 3880 Ausführungsversuchen (davon 3220 mit Ergebnisrückmeldung) nachgewiesen“. („neurareha-verbindet Forschung und Therapie-Thieme)

Hinzu kommen Motivation, Streß und vielleicht selbst auferlegter Frust. Diese müssen ersteinmal am Hypokampus („Fit for fun“) und Amygdala („Null – Bock System“) vorbei. Ein emotionaler Filter für die Wichtigkeit einer Bewegung, bzw. generell für das Lernen.
Fehler dürfen und müssen begangen werden. (Versuch und Irrtum)

Vielleicht wäre an dieser Stelle ein Apell an uns alle Trainierenden eine kleine Hilfe: „ Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen“.

Das einzelne Elemente noch nicht funktionieren sagt vor allem eines: Andere Elemente wurden erfolgreich abgespeichert und bedürfen weniger Korrektur. Alles Andere braucht Zeit, Geduld und den richtigen Anspruch an sich selbst. Einmal suboptimal abgespeicherte Bewegungen müssen, ebenfalls mit vielen Wiederholungen, wieder neu antrainiert werden. Im Ring bedeuten sie nicht selten, häufig als schlechte Angewohnheit abgetan, selbst bei Profisportlern, dass ein Match zu Ungunsten beendet wird.

Wir sind didaktisch wesentlich weiter, als die traditionellen chinesischen Lehrmethoden, bei denen z.B. Formen sehr lange einstudiert wurden, was natürlich gemäß der Lernprinzipien schlecht auf die Anwendung umsetzbar ist.

Doch auch bei unserem Training kommen wir nicht an der Natur vorbei.
Darum habt alle Spaß (Hypokampus), macht Fehler (Versuch und Irrtum), wiederholt (Repetition), powert euch aus (Shaping), übernehmt einen Hinweis und arbeitet bewusst erstmal selbst daran (So selbständig wie möglich) und macht euch jeder bewusst, warum sie/er zum Training geht und trainiert dementsprechend. Ist es die Selbstverteidigung, der Gesundheitsaspekt, oder beides? (Alltagsbezug)

Bis bald im Training

René Klarhold
Physiotherapeut
Dozent im Gesundheitswesen
10 SG – unter Sifu Cosimo My