Wer in einem Kampf auf der Straße bestehen möchte, der muss eine Sache verstehen: In der Selbstverteidigung geht es nicht fair zur Sache! Meist ist der Angreifer stärker und aggressiver, nicht selten in der Überzahl und wenn es ganz dicke kommt, kommen auch noch Waffen ins Spiel. Es ist daher nur logisch, wenn wir von einem uns körperlich überlegenen Gegner ausgehen und nicht darauf hoffen, dass wir gleichstark oder stärker sind. Muskelkraft mit Muskelkraft zu begegnen ist daher nicht besonders erfolgsversprechend. Um zu lernen, wie du mit Kraft umgehen sollst, wurden vier konkrete Leitsätze aufgestellt. Mit Hilfe der nachfolgenden Punkte kannst du dich im Training selbst kontrollieren und dich vielleicht sogar ohne fremde Hilfe selbst verbessern:
1. Befreie dich von deiner eigenen Kraft!
Damit wir uns von Anfang an richtig verstehen: Wer fit ist und Schlagkraft und Kondition trainiert, der hat immer einen Vorteil gegenüber dem Untrainierten. Nicht umsonst ist die sportliche Komponente und das Training an Schlagpolstern ein fester Bestandteil unseres Gruppentrainings. Was also ist gemeint? Hier gibt es einen mentalen und einen körperlichen Aspekt:
Viele Menschen neigen unter Stress dazu, sich auf ineffektive Lösungswege zu versteifen. Wenn etwas nicht funktioniert, muss du lernen geistig flexibel zu bleiben und dich den Gegebenheiten anzupassen. Dieser Aspekt ist die mentale Komponente. Auch körperlich musst du flexibel bleiben und aufpassen, dass du dir nicht selbst im Weg stehst. Spannst du beispielsweise Bizeps und Trizeps gleichzeitig an, spielst du den Muskelbeuger und Muskelstrecker gegeneinander aus. Auch wenn sich der Arm dann sehr stark anfühlt, verschwendest du viel Energie und sorgst obendrein dafür, dass man dich hervorragend wegstoßen oder ziehen kann.
Das führt uns geradewegs zum zweiten Punkt:
Sind deine Arme flexibel, kannst du leichter verhindern, dass der Gegner mit seinem Angriff zu seinem Ziel kommt. Gegen die Kraft des Gegners anzukämpfen ist hierbei genauso falsch wie ein völlig entspannter Zustand. Deine Bewegung darf nicht „kollabieren“. Wenn du nachgibst, dann halte dabei deine Körperspannung – mit Schwäche hat das Nachgeben nichts zu tun. Auch ohne dich zu verformen kannst du die Wucht eines Angriffes brechen: Hierzu musst du erkennen, wo der Schlag deines Gegners eine Schwachstelle hat. Ein Schwinger beispielsweise, der von der Seite auf dich zukommt, ist für einen Druck von oben oder unten anfälliger. Diese Richtungen (Vektoren) fehlen ihm! Anstatt also gegen die Kraft zu gehen, kannst du die Ebene bekämpfen auf der er nicht stark ist. Klingt einfach, ist es aber nicht. Für diese Fähigkeit muss man viel Training investieren.
Die nächsten zwei Punkte sind weniger abstrakt und daher sehr viel leichter zu verstehen.
3. Gehen wir davon aus, dass du dich wendest um die Kraft des Gegners aufzunehmen. Vorausgesetzt du hast eine gute Körperstruktur, wirst du die Energie für deine Wendung zu einem großen Teil aus der Kraft des Gegners beziehen können – im Prinzip wendet dich der Gegner dann mit seiner eigenen Kraft. Bei dieser Wendung bewegt sich eine Schulter zurück, während sich die andere nach vorne bewegt. Sattelst du auf diese Vorwärtsbewegung einen Angriff auf, hast du die Kraft des Gegners genutzt. Selbstverständlich ist das Beispiel stark vereinfacht und es gehört noch bedeutend mehr dazu, aber um die Grundidee dieses Kraftsatzes zu verstehen, reicht dieses Beispiel aus.
4. Füge deine eigene Kraft hinzu!
Hier liegt der Knackpunkt nicht in dem Verständnis, was gemeint ist, sondern vielmehr zu welchem Zeitpunkt du deine Kraft hinzufügen sollst. Einer der häufigsten Fehler liegt im falschen Timing: Versuchst du zu früh mit deiner Kraft zu arbeiten, verstößt du gegen den ersten Kraftsatz.
Sifu Lukas Vahle