Als Anfänger auf dem Mallorca-Lehrgang?

Meine Frau Tine und ich sind erst seit September 2015 Mitglieder der EWTO und trainieren seitdem auch bei Si-Fu Cosimo My in Bad Wildungen. Noch ohne einen Schülergrad zu besitzen, meldete ich meine Frau und mich zu dem Lehrgang auf Mallorca an. Ob das eine gute Entscheidung war, konnten wir noch nicht sagen. Wir hatten die Befürchtung, dass wir nur rumstehen und die Form üben würden, da wir ja noch nicht viel konnten. Aber wir freuten uns sehr auf den Lehrgang. Allein die Großmeister aus den Büchern mal zu sehen, erweckte in mir große Freude.

Akademie-My-Referenten

Tag der Anreise

Unsere Anreise traten wir mit dem 2.SG und 1.SG an.
Endlich angekommen am Flughafen erwartete uns ein Kleinbus, der das von der EWTO ausgeschriebene Hotel Beach Club bei Font de sa Cala anfahren sollte. Die anderen Gäste befragten wir direkt, ob sie denn auch den Lehrgang besuchen würden. Auf die Frage, was für ein Lehrgang dort stattfindet, klärten wir sie auf, dass es sich um einen Kampfkunstlehrgang handelt. Nein, bei sowas würden sie nicht mitmachen. Komisch wurde das Gespräch, als eine ältere Frau über ihre Angst sprach und die anderen Frauen fragten wie viele Kampfhunde denn zu diesem Lehrgang kommen. Sie hatten Kampf-„Hund“ statt Kampf-„Kunst“ verstanden. Die Vorstellung, dass über 100 Personen mit ihrem Kampfhund anreisten und am Strand Beißen und Reißen übten, belustigte uns sehr. Die Fahrt war auf Grund des Missverständnisses dementsprechend lustig.

Am Hotel angekommen, stand am Eingang natürlich kein Hund, sondern Grandmaster Bill Newman. Wow. Ich hatte den ersten GM entdeckt. Schnell schlichen wir vorbei.

Da wir morgens anreisten, mussten wir noch ein paar Stunden auf unser Zimmer warten. Viele Leute reisten an, aber man erkannte einfach nicht, ob diese auch wegen dem Lehrgang hier waren. In der Lounge verweilten wir auf einem Sofa als plötzlich Großmeister Schembri den Raum betrat und in unsere Richtung marschierte. Ich riss die Augen auf und nickte ihm voller Respekt zu. Ich fühlte mich irgendwie wie KungFu Panda. GM Schembri ging direkt auf uns zu, gab uns die Hand und begrüßte uns mit einem kleinen Gespräch. Er freute sich sehr, dass wir da sind. Er fragte ob wir gespannt sind und eine gute Anreise hatten. Vor Überraschung, dass ein Großmeister mit uns sprach, kam ich aus dem Staunen nicht mehr raus.

Den Rest des Tages verbrachten wir mit Erkundungen vor Ort und schauten uns alles an. Am Strand entdeckte ich auf einem Berg Großmeister Kernspecht. Ich war mir nicht ganz sicher, aber er schien es wirklich zu sein und ein Mikrofon um den Hals zu tragen. Wahrscheinlich ging er seine Ansprache durch und bereitete sich auf den Lehrgang vor. Aber das Mikrofon war, wie wir im Nachhinein erkannten, seine Brille die mittig teilbar ist.

Es ging los

Kurz vor Beginn am ersten Lehrgangstag liefen wir in unserer WT-Uniform durch das Hotel und alles hatte sich auf einen Schlag verändert. Jeder begrüßte uns und es gab nette Gespräche. Was war passiert? Mit dem Tragen der Uniform war jedem unmissverständlich klar geworden wer zur Familie gehört. Ich erinnerte mich, wie auf den ersten Seiten in Buch WingTsun Kuen erklärt wird, was es mit der Tradition der Familie im WT auf sich hat. Das konnte man hier direkt spüren.

Am Strand angekommen, stand vor den Wellen GM Schembri und machte sich mit der Form warm. Das kennt man eigentlich nur aus dem Fernsehen.

Irgendwer klatschte dann plötzlich in die Hände und alles war ruhig. Es folgte eine kurze knappe Ansprache und Organisatorisches. Danach fand eine Einteilung in Gruppen statt. Die Schülergrade hatten eine kleine aber eigene Ebene des Strandabschnittes. Wir wurden jeweils in Untergruppen 0.- 4., 5.- 8. und 9.-12. SG aufgeteilt. Die anderen höheren Grade hatten ebenfalls einen eigenen kleinen Strandabschnitt bekommen. So sollte jeder sein persönliches, notwendiges Programm erhalten.

Familie-We

 

Frank-Sifu-Schembri

Trainingsbeginn

Zunächst wurde mit allen zusammen die SiuNimTao-Form gemacht. Vor uns standen die Großmeister und alle anderen machten mit. Es ist ein unglaubliches Gefühl mit mehr als 100 Personen gleichzeitig WingTsun zu machen.

Dann übernahmen die Großmeister jeweils eine Gruppe und zu unserer Gruppe kam GM Schembri. Er war nur für uns da, die vollen drei Stunden Training beim Großmeister. So hatten wir uns das Training nicht ansatzweise vorgestellt und das übertraf das Erhoffte. Während wir am Üben waren, schlich sich GM Kernspecht in eine der anderen Gruppen und demonstrierte etwas. Alle klatschten und er winkte und verbeugte sich mit dem Schwenken seiner Kappe.

Irgendwann stand dann GM Bill Newman auf dem Berg und signalisierte so den anderen Großmeistern, dass die Zeit reif ist, um mit Escrima zu beginnen. Erst dadurch wurde uns klar, dass schon drei Stunden ins Land gegangen waren. Nicht mal eine Pause oder ein Schluck Wasser war nötig oder kamen gedanklich auf.

Auf dem Weg zum Hotel musste ich meinen, WT-familiär gesehen Opa, Si-Gung Kernspecht ansprechen, der am Wegesrand stand und die gleiche Richtung einschlug. Ich sollte ja auch noch einen lieben Gruß von meinem Si-Fu ausrichten. In diesem kurzen Gespräch sollte ich GM Kernspecht erst mal beginnen zu duzen, das würde er ja schließlich auch mit mir tun. Wer siezt schon seinen Opa? Und schließlich durfte ich auch noch ein Foto mit ihm machen.

Gegen Nachmittag war es immer möglich mit GM Schembri Volleyball zu spielen. Es waren auch immer genügend Spieler vorhanden. Manchmal bildeten sich sogar drei Gruppen um miteinander zu spielen. Das Wort „miteinander“ stand dabei im Mittelpunkt. Einige erfreuten sich auch allein am Zuschauen und man konnte sich dabei in längeren Gesprächen kennenlernen und austauschen.

Beim Abendessen gab es reservierte Tische für alle Teilnehmer des Lehrgangs mit freier Platzwahl. Der Vorteil lag auf der Hand – die Familie lernt sich kennen. Lukas und Regina, auch Schüler unseres Si-Fus, waren ebenfalls anwesend. Hier konnten wir alle Fragen stellen, zu denen im normalen Training oft die Zeit fehlte.

Zusammenfassend Tag 2 bis 6

Frank-und-sigung

 

Volleyball_WingTsun

 

Frank-und-Oliver

Nach Einleitung mit der ersten Form wurde täglich im Rotationsverfahren der Trainer für die Gruppen gewechselt. So hatte jede Gruppe mit jedem Großmeister das Vergnügen – mal mit GM Schembri, mal mit GM König und mal mit, jetzt auch GM, Schrön.

Immer wieder besuchte GM Kernspecht die Gruppen um etwas vorzuführen und für noch mehr Aha-Erlebnisse zu sorgen. Er zeigte uns verschiedene Dinge vor und das Gezeigte wurde natürlich sofort geübt. Sehr interessant war für mich der Vergleich des WT-Trainings mit einem Floß, auf dem man einen Fluss überquert. Man nimmt vom Ufer etwas mit und auf dem Weg rüber fällt etwas ins Wasser. Und drüben gibt es dann immer etwas Neues.

Bei Si-Gung Kernspecht gab es zusätzlich die Möglichkeit eines Kleingruppenunterrichts für höhere Grade und Meister. Dies bekamen wir zufällig mit, weil Tine und ich genau den Platz zum Turteln ausgesucht hatten, den er sich mit seinen Schülern zum Trainieren ausgesucht hatte. Er sagte, er suche noch Schüler, denn heute ist „von der Klippe Schubsen“ angesagt. Da gingen ihm die Schüler immer schnell aus.
Si-Gung Kernspecht hatte immer sehr viel Spaß daran etwas vorzuführen und lachte oft dabei. Für uns war es auch schön anzusehen. Die höheren Grade und Meister sahen vor ihm ebenso aus wie wir Schülergrade vor unserem Si-Fu. Er hat einfach die Oberhand.

Der letzte Tag

Plötzlich war er da. Das hätte wegen uns das ganze Jahr so gehen können.
Nach dem Training erhielten die Schüler, die ihre Prüfung bestanden hatten, ihre Urkunde. Tine erhielt ihren 2.SG und ich meinen 3.SG.

Am Abend gab es dann noch eine Feier. Hier konnte man sich nochmal mit den neuen Bekanntschaften zusammensetzen und sich bei einem Getränk verabschieden oder für weitere Vorhaben verabreden.

Unsere Abreise um 03:30 Uhr

Wir machten die Zimmertür auf und GM Schembri stand zufällig vor genau dieser Tür. Er kam gerade von der Feier und wollte noch etwas schlafen ehe er abreisen würde. Wir mussten ihm nochmal sagen, dass er ein sehr herzlicher Mensch ist und so viel Zeit mit uns verbracht hat. GM Schembri will jeden kennenlernen. Das ist ihm äußerst wichtig. Dies sagte er es uns auch schon nach einem der Trainings.

Fazit

Es ist ein unglaublich tolles und lehrreiches Event, gerade auch für Anfänger. Auf Tuchfühlung mit den Giganten des WingTsun. Jeder Großmeister schenkt jedem Schüler die gleiche Aufmerksamkeit, nimmt sich alle Zeit für Fragen und ist über das Training hinaus noch gerne für einen da.

Uns wurde bewusst, dass das Schülerprogramm doch weitaus größer ist als man zunächst denkt. Wir haben vieles erkannt und einiges erlernt an dem wir die nächsten Wochen, Monate und Jahre zu arbeiten haben.

Wir freuen uns sehr auf das nächste Mal auf Mallorca und können es kaum erwarten. Wenn alle Lehrgänge und Treffen nur halb so gut sind wie das was wir hier auf Malle erlebt haben, dann wird die Euphorie keine Chance haben zu verblassen. Der Ehrgeiz hat uns gepackt mit einem Suchtfaktor von 10+!

 

Text: Frank Wendzik

Frank Dritter SG