Die 7 Fertigkeiten im EWTO-WingTsun

Im EWTO-WingTsun haben wir sechs Soloformen und 19 Partnerformen um Schülern durch feste Abfolgen Inhalte zu vermitteln. Hierbei ergeben sich drei unterschiedliche Möglichkeiten, die ich euch gerne näher bringen möchte.

  1. Wir können die Form als Form unterrichten, die nicht zu verändern ist und als äußere Technik zu sehen ist, also ein Bewegungsablauf der auf die Extremitäten (Arme und Beine) fokussiert ist.
  2. Wir können die Form als Charakterschulung, Gesundheitsbewegung und Bewusstseinserweiterung unterrichten, in welcher der Schüler und Lehrer auch die eigene Geduld prüfen kann.
  3. Wir können die Form prinzipienorientiert üben, nicht indem wir die Abläufe ändern, sondern indem wir die zu optimierenden Fähigkeiten in den Vordergrund stellen. Durch diese Einstellung und rumpforientiertes Denken in den Formen bewegt sich der Körper mit einem anderen Bewusstsein, und die Bewegungen passen sich den Gedankengängen an. Dadurch hat der Schüler von der Form bis zum Freikampf immer die gleiche Vorgehensweise (rumpforientiert) und wird nicht verunsichert.

1. SiuNimTao

WingTsun-Form-Bad-Wildungen

In unserer ersten Form werden der Stand, die Ausrichtung des Körpers und die Armtechniken koordiniert und zu unserem Körper richtig positioniert. Im Bezug auf unsere Fähigkeiten ist der Schwerpunkt auf das Bewusstsein, die richtige Einstellung (Geduld) und die Koordination der Bewegungen gerichtet. Im Hier und Jetzt zu sein und jede Bewegung klar und deutlich auszuführen, ist eine Herausforderung, die den Ausübenden auch in seinem Charakter schulen kann.

2. ChamKiu

In unserer zweiten Form werden die erlernten Armbewegungen in Einklang mit Schrittarbeit, Fußtritten und Körperbewegungen gebracht.

Das Ziel ist es alle Bewegungen auf einen Punkt zu bringen. Das schult die Koordination, Konzentration, das Gleichgewicht und das Timing der eigenen Bewegungen zueinander. Hierbei ist es wichtig, dass alle diese Bewegungen, die unterschiedlich lang sind, auf einen Punkt abschließen müssen. Eine Aufgabe, die sehr viel Achtsamkeit abverlangt und viel Fleiß fordert.

WingTsun-EWTO-Form

3. BiuTze

WingTsun-BiuTze-KungFu

In unserer dritten Form werden zum ersten Mal Angriffe mit “kurzen Waffen” (Ellenbogen) ausgeführt. Hierbei ist die rotierende und peitschende Kraft der ausschlaggebende Unterschied. Die Sicht- und Denkweise der Techniken und deren Ausführung ändert sich: Es geht nicht mehr nur um Sicherheit und Schutz wie bei den ersten beiden Formen. Der Fokus liegt jetzt auf den Angriff.

Für mich ist die BiuTze eine Angriffsform, die man als sehr nachgiebig flexibel sehen kann.

4. Mok Yang Chong (Holzpuppen-Form)

In der Holzpuppenform werden Bewegungen aus den vorherigen Formen in Verbindung mit einer erweiterten Schrittarbeit kombiniert. Zusätzlich müssen alle unterschiedlichen Kräfte wie Rotationskraft, Schwerkraft, Reaktionskraft und Muskelkraft eingebracht werden. Auch hierbei ist es wichtig, dass alle Bewegungen auf einen Punkt zusammengebracht werden. Somit ist die Schrittarbeit, die Körperbewegung und den Treffer an der Holzpuppe zu koordinieren und zeitlich abzustimmen. Man sollte beim Arbeiten an der Holzpuppe immer einen einzigen Abschlussklang hören, auch bei mehreren Bewegungen zu einer Zeit. Das Novum hierbei ist die zentrale Ausrichtung zum Gegner aus der Flanke, der Nahkampfaspekt, die Schattenkicks und eine gewisse Körpereinheit zu einem festen Gegenstand, der sich nicht oder nur minimal bewegen lässt.

Holzpuppe

5. Look Dim Boom Kwan (Langstock)

Langstock

Beim WingTsun-Langstock haben wir es im traditionellen WingTsun zum ersten Mal mit einer Waffe zu tun. Der Langstock ist aus massivem Holz gefertigt, hat einen konischen Verlauf und bringt ein entsprechendes Gewicht auf die Waage. Diese Tatsache zwingt den Übenden die Bewegungen nicht aus der isolierten Armbewegung auszuführen, sondern immer mehr aus der Körpereinheit. Die Form besteht aus 6 1/2 Basisbewegungen. Es wird punktuell oder mit der Fläche des Langstocks angegriffen. Alle Bewegungen werden erst aus dem Stand, dann mit Schrittarbeit und letztendlich immer mehr aus dem ganzen Körper ausgeführt.

Durch die Positionierung des Körpers zum Langstock, das Nutzen der unterschiedlichen Kräfte wie Schwerkraft, Rotationskraft und Reaktionskraft, verliert der Langstock für den Anwender immer mehr sein Eigengewicht und erlaubt somit eine schnelle Schrittarbeit (wenn nötig) mit vollem Körpereinsatz, ohne das Gleichgewicht zu verlieren.

Man sagt, dass die Langstocktechnik die ultimative WingTsun-Technik sei, da diese alle bisher geübten Konzepte durch die Länge der Waffe nochmal erschwert und zu einem höheren Verständnis verhilft. Die Strategie (das Anbieten eines Ziels), die optische Reaktion und Anpassung, der Tastsinn, Schrittarbeit und Rumpfbewegungen also Körpereinheit werden durch den Langstock erschwert, und gleichermaßen perfektioniert.

6. Bart Cham Dao (Doppelmesser)

Die Doppelmesserform ist in 8 Sektionen aufgeteilt. Jeder Satz ist genau festgelegt um gegen einen speziellen Angriff mit einer traditionellen Waffe zu bestehen. Die meisten Bewegungen sind hackende und rotierende Bewegungen. Man sagt, dass diese 8 Wege der Messerform, alle möglichen Richtungen, die vorkommen könnten, abdecken. Es gibt in der Messerform kein “ChiSao” (Kontakt); man benötigt eine schnelle und kluge Schrittarbeit.

Um diese festgelegten Abläufe durchzuführen, ist es erforderlich den gegnerischen Angriff am Ansatz zu erkennen und zu gleicher Zeit zu kontern. Hierbei werden dem Anwender Einstellung, Durchsetzungsvermögen, Körpereinheit und Timing abverlangt. Es gilt das Motto: „Wer zögert, verliert“.

WingTsun-Doppelmesser-Sifu-Cosimo-My

7. WingTsun-Sektionen

WingTsun-Norman-Mueller-Weimar

Als Übungsmittel haben wir unsere klassischen Partnerformen, die wir in 19 Sektionen aufteilen. Alle Sektionen haben ihren Schwerpunkt und sollen Inhalte und Möglichkeiten beispielhaft vermitteln. Hierbei soll der Schüler oder Techniker (HG) gefordert, aber nicht überfordern werden. Alle Sektionen bauen aufeinander auf und bringen den Schüler dazu die eigenen Arme zum Körper richtig zu positionieren, die Mitte des Gegners zu kreuzen und sich entsprechend zu bewegen. Die Sektionen sind kein traditionelles Unterrichtsmittel, sondern wurden von Großmeister LeungTing erfunden, um den großen Vorrat an  (Bewegungs-)Beispielen zu strukturieren und zu erhalten.